Die Kontinuität des Reichtums ist in der Schweiz ausgesprochen hoch. Und dies trotz der zweifellos vorhandenen Gegensätze, Konkurrenzen und Interessensunterschiede unter den Reichen. Verschiedene soziale Mechanismen und Institutionen fördern den hohen Grad an Integration und an Bewusstsein der eigenen „Klasse“. Neben den wirtschaftlichen Verflechtungen sind dafür Sozialisationsinstanzen wie exklusive Bildungsinstitutionen, aber auch die aktive Kultivierung des sozialen Kapitals bei exklusiven Veranstaltungen wie Opernbällen, Galas, Kunstvernissagen oder anderen mondänen Veranstaltungen von Bedeutung. Auch die gemeinsame Ausübung von Sport (Segeln, Golf, Reiten) gehört zu den vielfältigen Formen der Geselligkeit dieser gesellschaftlichen Schicht und unterstützt die Herausbildung einer gemeinsamen (Klassen-)Identität. An diesen „Orten der Geselligkeit“ lernen sich dann auch häufig Nachkommen von vermögenden Familien „rein zufällig“ kennen – und lieben. Sozial exklusive Räume sind gute Gelegenheiten für Bekanntschaften – und wer aus demselben Milieu kommt, findet eher Gefallen aneinander: Der Geschmack paart die Menschen, die „zueinander passen“, und macht sie einander verwandt. Diese Heiratspolitik der Reichen, die bis in die 1970er Jahre eine grosse Rolle spielte, ist auch heute noch aktuell – wobei sich die Methoden verfeinert haben und nicht mehr so offensichtlich sind.

Die Schweiz verfügt über einige ausgesprochen exklusive Elite-Internate (Schulgeld ab 80‘000 Franken jährlich), die bei den Superreichen weit über die Landesgrenzen hinaus einen guten Ruf haben. Das Liceum Alpinum in Zuoz, das Internat Rosenberg in St. Gallen, das Institut Le Rosey in der Nähe von Lausanne oder das Institut Montana auf dem Zugerberg sind Beispiele solcher Bildungs- und Erziehungsstätten. Sie verschaffen den AbsolventInnen nicht nur exzellente Bildung, sondern haben auch eine identitätsstiftende Funktion und tragen zur Herausbildung eines klassenspezifischen Habitus bei. Die Jugendlichen lernen hier, wie sie sich in den „besseren Kreisen“ zu verhalten haben und werden auf ihre zukünftige gesellschaftliche Rolle (z.B. als Nachfolger im väterlichen Unternehmen) vorbereitet. Klare Dress- und Benimmcodes und ein rigider Tagesablauf mit viel Studium und Sport prägen den Alltag der Jugendlichen in diesen Internaten. Der Umgang mit Kunst und Kultur wird durch regelmässige Museums- und Opernbesuche gefördert, die Benimmweise bei Gesellschaftsanlässen durch schulinterne Bälle und die Einübung von Debütantentänzen eingeübt. Wer ein solches Elite-Internat durchlaufen hat, ist vertraut mit den „feinen Unterschieden“. Mit den angemessenen Umgangsformen, Essgewohnheiten, Geschmacksurteilen und Sprechweisen, die von Bedeutung sind, um sich souverän in den Räumen der Reichen und in der Unternehmenswelt zu bewegen.

Standen vor wenigen Jahrzehnten noch etliche Familiennachfolger wie auch Manager und Verwaltungsräte ohne speziellen Universitätsabschluss an der Spitze eines Unternehmens, ist heute ein Universitätsabschluss und/oder ein MBA (Master of Business Administration) schon fast ein Muss. Die neuen Unternehmer führen ihre Legitimität nicht mehr auf Erbe oder edle Geburt zurück, sondern auf ihre „Kompetenz“, welche durch exklusive Bildungszertifikate zum Ausdruck gebracht wird. Zu echten Idealbildern sind US-amerikanische Eliteuniversitäten wie Princeton, Harvard oder Stanford geworden. Soiron, Dörig, Vasella, Bertarelli, Forstmoser, Schnewlin, Wyss – sie alle haben ein Diplom von der Harvard Business School vorzuweisen. In der Schweiz sind die Universität St. Gallen (HSG) und die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) die grössten Kaderschmieden. Auch hier sind nicht nur die erworbenen Qualifikationen von Bedeutung, sondern genauso die „sozialen Bande“ und das „Zusammengehörigkeitsgefühl“ unter Angehörigen der gesellschaftlichen „Elite“, das über die Studienzeit hinaus in Alumni-Klubs (Netzwerken von Ehemaligen) kultiviert wird.



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Ganga Jey Aratnam, Sarah Schilliger und Ueli Mäder